Als Mark Zuckerberg im Jahr 2003 die Webseite facemash.com gründete, war er noch als Student der Harvard University eingeschrieben und belegte die Fächer Informatik und Psychologie. Eine hochexplosive Kombination, welche wegweisend für die Gründung von Facebook war und dem Wunderknaben noch viele Milliarden Dollar einbringen sollte.
Durch das Studium wurde Zuckerberg bereits früh vermittelt, dass der Mensch stets nach Aufmerksamkeit strebt, welche wiederum ihren Höhepunkt durch Anerkennung in Form von Lob, Bestätigung und Respekt erfährt. Er wusste nicht nur wie der Mensch tickt, sondern hatte gleichzeitig das technische Wissen, um eine Plattform zu erstellen, in welcher er eben diese psychologischen Aspekte einfließen lassen konnte.
Facebook war geboren. Ein Netzwerk, welches anfangs primär für die Studenten aus Harvard gedacht war, um sich untereinander auszutauschen. Dass der Erfolg des sozialen Netzwerks nicht ausschließlich auf einer kommunikativen Ebene beruhte, sondern auch dem Streben nach Aufmerksamkeit, macht unter anderem die Einführung des „Like“-Buttons deutlich. Schließlich sollte die Aufmerksamkeit, die ein User durch öffentliche Posts erreichen wollte, auch in irgendeiner Form anerkannt werden.
Im Laufe der Zeit wurden die Likes und Kommentare zu einer Art Befriedigungsfaktor für den Nutzer. Wer heutzutage auf sich aufmerksam machen möchte und neben (scheinbar) lustigen auch wahnsinnig wichtige Meldungen aus dem Privatleben postet, lechzt definitiv nach einer gehörigen Portion Aufmerksamkeit. Zufrieden ist der jeweilige Nutzer nur dann, wenn diese durch möglichst viele Klicks auf „Gefällt mir“ oder Kommentare bestätigt wird. Dass der Teil des Gehirns, der nach Anerkennung strebt, der gleiche ist, der das Suchtverhalten von Menschen beeinflusst, sei hier nur nebenbei erwähnt.
Doch woher kommt dieser Drang alles aus seinem Leben veröffentlichen und mit teils wildfremden Menschen (= Freunde auf Facebook) teilen zu müssen? Vielleicht wird das ständige Publizieren von Beiträgen und Bangen um möglichst vielen Rückmeldungen darauf tatsächlich zur Sucht. Beim Anblick meiner Freundesliste auf Facebook gut vorstellbar, denn es sind tatsächlich immer die gleichen Personen, die täglich ihr Abendessen, die abgelaufenen Kilometer oder aktuellen Kunststückchen der Hauskatze veröffentlichen.
Auch Hilferufe in Form von abgedrischten Phrasen, tiefsinnigen Sprichwörtern oder herzzerreißenden Liebesliedern landen regelmäßig in meinem Newsfeed. Für mich sind sämtliche dieser wiederkehrenden und oftmals nervigen Posts der beste Beweis dafür, dass insbesondere Facebook die Plattform schlechthin für Internetnutzer mit einem gehörigen Aufmerksamkeitsdefizit ist.
Sorry, wenn sich diese Zeilen jetzt etwas harsch anhören, aber ich möchte damit nur deutlich machen, dass es Mark Zuckerberg doch tatsächlich geschafft hat, wildfremde Menschen zum Ausschütten zahlreicher privater Informationen zu bewegen. Ein wahres Genie, wie ich finde. Und alles nur wegen dieser verdammten Sucht nach Aufmerksamkeit. …
Lieber Daniel,
das ist ein gelungener Anfang einer Analyse, in dem ich vieles wiedergefunden habe, was ich selbst denke. Dazu passen die Studien, in denen nachgewiesen wird, wie die Online-Bestätigung durch Likes auf NutzerInnen wirken, und wie sich bereits das Verhalten von Jugendlichen an diese neue Form der Bestätigung durch die peer-group angepasst hat. Bei der Konzentration auf das, was Du Sucht nach Aufmerksamkeit, und andere Online-Narzissmus, nennen, wird ganz oft vergessen, was Du vorne an stellst: Die psychologischen Gründe, wieso das Netzwerk so erfolgreich ist. Das finde ich gelungen, denn ich ärgere mich stets, wenn jemand vom Ach-so-narzisstischen Netz spricht, und völlig übersieht, dass ein markenhemdentragender Cabrioletfahrer in RL genau das Gleiche macht. Oder mein bester Freund, der immer wieder sagt, dass Schreiben im Netz in erster Linie Selbstbezogenheit ist. Hier mal eine Einordnung zu haben ist absolut heilsam.
(Jetzt kommt das Aber:) Aber: Du differenzierst nicht stark genug. Zunächst gibt es sehr verschiedene AnwenderInnen in sozialen Netzwerken. Ich habe Freunde, die sportliche Aktivitäten teilen, Online-Petitionen weiterleiten oder ständig Bilder von sich selbst hochladen. Eine große weitere Gruppe teilt so gut wie nichts und nimmt unsichtbar am Diskurs teil. (Was ja nur Online geht, daher ist diese Variante für mich psychologisch gesehen sogar die spannendere). Die meisten Menschen, die ich selbst im Netz wahrnehme, machen irgend etwas dazwischen. Profilneurose? Aufmerksamkeitssucht? Sicher, aber hier nützen meiner Ansicht nach keine Pauschalisierungen. Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, wäre das ein Blogpost, der aus Deiner Sicht auf verschiedene Arten der Social Media Nutzung eingeht – und dabei schaut: Wo sind hier die Parallelen zu unserer Offline-Welt? Wo kann man von getrennten Identitäten ausgehen? (Übrigens ist auch die Identitätsfrage im Netz unheimlich spannend. Bei http://www.cuirhomme.wordpress.com findest Du einen (älteren) Beitrag dazu. Hätte da auch noch andere Quellen, falls.
Ich sehe die meisten kommunikativen Prozesse als nichts anderes als Gesprächsangebote. Mir zeigen sie, dass die Menschen (hier, also, Netz und so) gerne miteinander reden, und gerne von anderen wissen. Nicht umsonst gibt es das friendly stalking – es befriedigt ein Bedürfnis (positive Belegung), und dient nicht nur der „Unterhaltung“ (die viel gängigere, negative Belegung). Wieso nicht auch von dieser Seite argumentatorisch herankommen? Und dabei vielleicht feststellen, dass die Social Media das voyeuristische In-die-Fenster-anderer-Leute-schauen eventuell ebenso überflüssig macht wie das Tragen eines teuren Kleidungsstücks. Weil soviel positive Aufmerksamkeit durch Mitmenschen, die sich sonst nicht als Kommunikationspartner anböten, generiert wird, dass auf anderes verzichtet werden kann.
So, Schwall Ende. Danke für Deinen Artikel! Könnwa ja auch mal persönlich drüber quatschen?
Hallo Julia,
jetzt bin ich auch endlich mal dazugekommen, deinen ausführlichen Kommentar zu lesen, der ja fast schon ein eigener Beitrag als Fortsetzung zu meinem Blogpost hätte sein können. Vielen Dank dafür und ich bin immer sehr froh, wenn meine Leser einen Artikel hinterfragen und sich gezielt damit befassen. Daumen hoch!
Ich stimme dir voll und ganz zu, dass ich mehr in die Tiefe hätte gehen können, wenn nicht sogar müssen. Die Idee einzelne Nutzergruppen zu durchleuchten finde ich ebenfalls sehr gut, auch wenn mir in Bezug auf einen Online-/Offline-Vergleich sicherlich das psychologische Hintergrundwissen fehlt. Die Typisierung in deinem Blogpost (http://bit.ly/1gjrjNP) könnte man da sicherlich als Anregung nehmen.
Ich kann mir auch durchaus vorstellen, mal einen Beitrag zum Thema „Friendly Stalking“ zu schreiben oder das obige Thema nochmals zu vertiefen. Gerne können wir uns darüber nochmal ausgiebig unterhalten. Das erste IronBlogger-Treffen wird ja sicherlich demnächst stattfinden.
Wenn du magst, bist du natürlich auch jederzeit eingeladen, einen Gastbeitrag bei mir zu veröffentlichen, da ich merke, dass dich das Thema sehr interessiert hat, was nicht nur auf die kritischen Worte zurückzuführen ist. 😉
Viele Grüße aus dem Schwarzwald,
Daniel.
Ich danke Dir! Ja, da können wir uns gerne mal zusammensetzen und was Schönes draus machen. Wir kommen beide von anderen Richtungen, das könnte sehr spannend werden! Und danke für Deinen netten Kommentar!
Ich denke auch, dass es sehr spannend werden könnte. Werde deswegen sicherlich nochmal auf dich zukommen. Kann allerdings dauern, da ich ab kommender Woche erstmal im Urlaub bin. Muss ja schließlich auch mal sein.
Gruß aus Offenburg, Daniel.
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